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Unkraut oder Superfood? Die unscheinbaren Helden der Natur

Nachricht 28. März 2024

Der Blick auf Brennnesseln, Giersch, Wunderlauch und ihre Artgenossen ändert sich langsam aber sicher. Diese oft als „Unkraut“ bezeichneten Pflanzen werden zunehmend als das erkannt, was sie wirklich sind: echtes „Superfood“ aus der Natur. Aber was macht sie so besonders?

Am heutigen Tag des Unkrauts liegt es Mona Gharib, Umweltreferentin im Haus kirchlicher Dienste (HkD), am Herzen, diese häufig übersehenen Schätze zu ehren und ihre Bedeutung herauszustellen.

Seit 2003 wird am 28. März von Gartenbegeisterten weltweit die Diversität und der Wert der Wildpflanzen betont. Warum „es noch viele weitere Ehrentage für wilde Pflanzen geben müsste“ erklärt sie in einem Interview mit Tanja Niestroj von der Evangelischen Medienarbeit (EMA).

EMA: Frau Gharib, gibt es eigentlich Unkraut oder ist das so ein typisches Menschenwort?

Mona Gharib: Das ist ein typischer menschengemachter Begriff. In dem Wort steckt das „Kraut“ und beschreibt kleine, nicht verholzte Blattpflanzen. Sie betreiben Fotosynthese und tun somit wahrlich nur Gutes für Mensch und Umwelt.

Der Wortteil „Un“ soll die Gattung eigentlich ins Abseits manövrieren, schließlich handelt es sich um Kräuter, die an der ein oder anderen Stelle unerwünscht sind. 

Wildkräuter klingt viel schöner.  Und um Biodiversität, also Vegetationsvielfalt, in unserem Ökosystem zu fördern, müssen wir wortwörtlich ganz unten anfangen.

Kräuter erfüllen hier wichtige Funktionen. Sie speichern wertvolle Nährstoffe für Menschen und Insekten. Wer also Schmetterlinge sehen möchte, muss beispielsweise Brennnesseln stehen lassen. Die sind nämlich beliebtes Raupenfutter.

Und Wildkräuter schützen den Boden vor Erosionen. Gerade im Klimawandel ist es wichtig, Böden durch Tiefenlockerung zu durchlüften, und so die Bodenfunktionen zu  stärken und zu fördern.

EMA: Wenn man in Wald und Wiesen spazieren geht und einen Blick an den Wegrand wirft, sind beinahe 80 Prozent der Pflanzen essbar. Heißt das auch, dass alles schmeckt?

Gharib: Ich habe noch nicht alles probiert. Aber auf der Auswilderungsfläche meiner Rettungsstation für Eichhörnchen wächst unheimlich viel Giersch, der in Quark und zu Käse ganz wunderbar schmeckt. Ein Löwenzahnsalat sieht nicht nur schön aus, sondern der Gehalt an Vitamin A und C kann sich sehen lassen. Manchmal hilft es, über den Tellerrand hinauszuschauen. In Italien sind die bitterzarten Blätter ein fester Bestandteil der Küche. 

In der Heilkräuterküche sind Beikräuter ebenfalls ein Thema. So ist Beinwell mit seinem hohen Gehalt an Kieselsäure bei Durchblutungsproblemen hilfreich, Spitzwegerich gilt sogar als natürliches Antibiotikum und beschleunigt die Wundheilung.

Viele Menschen wissen gar nicht, wie viel geballte Kräuterpower in der Natur wächst.

EMA: Was braucht man, wenn man Kräuter sammeln möchte? Wie unterscheide ich essbare von giftigen Pflanzen?

Gharib: Eine gute Bestimmungs-App ist ratsam. Wer unsicher ist, schließt sich einer Kräuterwanderung an. 

EMA: Wo sammelt man denn am besten Wildkräuter oder -pflanzen? Muss man sich in der Stadt um Hundepipi, auf dem Land um den Fuchsbandwurm sorgen?

Gharib: Ganz gleich, ob man Pilze, Beeren oder Kräuter sammelt: Alles, was bei Spaziergängen im Körbchen landet, sollte zu Hause gründlich gewaschen oder abgebürstet werden. Übertreiben muss man aber nicht, denn je mehr wir uns von Schmutz und Bakterien fernhalten, desto mehr Infektionen bekommen wir.

EMA: Und wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus? Beim Pilze sammeln wird ja empfohlen, den Fruchtkörper über dem Boden abzuschneiden, damit der Mycel stehen bleibt und neue Pilze hervorbringen kann. Gibt es bei der Wildkrauternte auch etwas zu beachten?

Gharib: Oftmals stecken in den Wurzeln der Wildkräuter wertvolle Substanzen. Beim Sammeln sollten wir einfach bedenken, dass wir nicht nur die Kräuterküche erweitern, sondern auch Schmetterlinge und Wildbienen versorgt wissen wollen. In einem Kräuterkurs erfahren Interessierte, von welchen Pflanzen nur die Blätter abgeknipst werden sollten, und welche Kräuter beispielsweise Unterläufer bilden und auch wieder austreiben, wenn die Wurzel mitgeerntet wird.

EMA: Und was fällt Ihnen zum Tag des Unkrauts ein?

Gharib: Ich find‘s toll, dass an diesem Tag ein besonderer Fokus auf diese Pflanzenart gelegt wird und meinetwegen könnte es noch viele weitere Ehrentage geben.

Ansprechpartnerin

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Mona Gharib

Projekt „BICK“ - BiodiversitätsCheck in Kirchengemeinden

Referentin für Umwelt und Klimaschutz